Letzten Mi, 3. 12. war ich beim Konzernbetriebsrat der VOEST Alpine zu einem Vorgespräch für ein Seminar – quasi “Sondierungsgespräche” 🙂 – eingeladen.
Vorher war ich noch bei den KollegInnen von E+E Elektronik (Bericht hier). Christian hat mich sogar noch mit dem Auto zum VOEST Gelände gebracht. DANKE!
Zuerst einmal:
Wow, ich bin mit vielen Eindrücken wieder in den Zug nach Wien gestiegen, die ich als beeindruckend charakterisieren muss. Das hält auch bis heute an.
Beeindruckend waren z.B. die Dimensionen. Die Logistik der verschiedenen Anfahrtswege, Hallen, Gebäude, Anlieferungen, Schranken und Schleusen, … das hat etwas von der Faszination eines großen Flughafens.
Um 4 Uhr nachmittags, als ich aus dem Gebäude BG 19 wieder raus bin, waren da hunderte bzw. eher tausende Menschen unterwegs. Busse schieben sich durch Zufahrten, Schleusen und Gebäude spuken Menschen aus und nehmen andere auf. Kolonnen von Autos sind unterwegs, alles hat die Aura einer selbstverständlichen und tagtäglichen Veranstaltung. Dahinter qualmt der ‘LD 3‘ in einen winterlichen Sonnenuntergang.
Der KonzernBR – der ‘Stab’
Auch beeindruckend ist freilich die Dimension des Betriebsrats bei einem Konzern dieser Größe. Ich hatte beim Konzernbetriebsrat zu tun, der unter anderem so etwas wie eine Stabsstelle der vielen Arbeiter- und AngestelltenBRs der verschiedenen Einheiten und Gruppen darstellt.
Der Begriff “Stab” sei mir nachgesehen. Er ist nicht militärisch gemeint; auch wenn diese Begrifflichkeit in der Wikipedia überwiegt (siehe Link).
Aber in der Gruppen- und Organisationssoziologie ist der Stab das, was aber einer gewissen Größe als teilunabhängige Organisationseinheit zur Bewältigung der Verwaltung eingerichtet werden muss. Besonders knifflig, wichtig und interessant ist die Rolle des “Stabs”, wenn er zur Administration vieler Gruppen(-interessen) eingesetzt ist.
“Verwaltung” ergibt sich als Notwendigkeit überall dort, wo durch Gebäude, Geräte, Haushaltsmittel, “Vorgangsmassen” ein Management durch die Gruppenvertreter selbst nicht mehr möglich ist.
[aus einem Klassiker der Gruppensoziologie]
Jedenfalls, lange Vorrede kurzer Sinn, bei dem Treffen mit Vertretern des KonzernBRs ging es um die Öffentlichkeitsarbeit des bzw. der vielen BRs für diese riesige und heterogene Belegschaft; und zwar der Aspekt der elektronischen Medien.
Und das ist schon wieder etwas, was beeindrucken kann: diese Aufgabenstellung in ihrer ganzen Vielfalt und Komplexität.
Viele Kanäle, Inhalte und Zielgruppen
Wie geht man an eine solche komplexe Aufgabenstellung heran? Nun, zuerst gibt es da kaum den selbsterklärenden Königsweg sondern einige mögliche Zugänge.
Eine bedeutsame Frage lautet einmal, was gibt es schon? Und was funktioniert? Wie gut?
In den zweieinhalb Stunden mit den KollegInnen vor Ort habe ich den Eindruck gewonnen, dass es schon jede Menge gibt und das vieles sehr gut funktioniert.
Oft stellt sich die berechtigte Frage, warum das Rad neu erfinden?
Allerdings gibt es immer und auch in dem Fall Dinge, die die bislang gebräuchlichen Kommunikationskanäle nicht leisten können. Nur ist da vielleicht die behutsame und gefinkelte Ergänzung eher gefragt als der Wechsel zu neuen Kommunikationsplattformen.
Um das alles zu analysieren, habe ich den KollegInnen folgendes vorgeschlagen; nämlich
1.) parallel nebeneinander,
2.) vorerst aber unabhängig voneinander folgende
3.) drei IST-Analysen und
4.) Bedarfserhebungen zu machen:
- Welche Kommunikationskanäle nutzen wir heute schon und welche gäbe es noch, die wir nicht nutzen?
- Welche Arten von Inhalten sind die Inhalte unserer Kommunikation (Öffentlichkeitsarbeit) und was haben wir (noch) nicht zum Inhalt unserer Kommunikation gemacht?
- Wer aller sind unsere Zielgruppen, dh. wie gliedert sich die Belegschaft nach allen möglichen Aspekten in welche Untergruppen?
Das ist natürlich eine Analyse, die jeder BR einmal beginnen kann und eine Analyse, die fast immer zu gewissen AHA-Erlebnissen führt.
(Man kommt z.B. darauf, dass man vl. einen nennenswerte Gruppe von Karenzierten hat, die man auch mit Infos versorgen will. Oder dass man für die seltenen, aber ganz dringenden Infos, die schnell Alle erreichen müssen, noch keinen Kanal hat. Oder dass man zwar alles mögliche kommuniziert, aber nicht, worin eigentlich der Arbeitsalltag eines BRs besteht.)
Weil dass potentiell für jeden BR in jedem Betrieb lohnende Fragen sind, behandle ich diese Fragen hier auch einigermaßen genauer.
Im Falle eines Konzerns der Ausmaße der VOEST Alpine wird schnell klar, alleine diese Fragen zu beantworten, das ist eine umfangreiche und längerwierige Aufgabenstellung.
Was sind die Eigenschaften meiner Kanäle, Inhalte, Gruppen?
Die Aufgabenstellung ist v.a. keine kleine Aufgabe, weil mit der simplen Aufzählung und Niederschrift meiner Medienkanäle und Gruppen habe ich noch nicht allzu viel geleistet.
Das könnte jetzt einmal so aussehen:
- BR-Zeitung, BR-Versammlung, BR-Ausflug, Gespräch am Gang, Termine im BR-Büro (Sprechstd.), Telefon, Intranet, Fotos, … usw.
- KV-Ergebnisse, Änderungen Arbeitsrecht, Info BR-Ausflug, Beratung bei Problemen, Formulare inkl. Erklärungen, Stimmungsbarometer, Gegendarstellung gegenüber einer Meldung aus der Unternehmensleitung, … usw.
- Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigte, Arbeiter, Angestellte, ZeitarbeiterInnen, Lehrlinge, Projekt- oder Außendienstmitarbeiter, Alte, Junge, Behinderte, Nachtschicht, PensionistInnen, Langgediente, neu Eingestellte, … usw.
Wirklich weiterkommen wir erst, wenn wir uns fragen und erarbeiten, welche Eigenschaften, Bedürfnisse oder Beschränkungen wir für die unterschiedlichen Medienkanäle, Inhalte und Gruppen unterscheiden können/müssen.
Bedenke: Kommunikation ist immer “unwahrscheinlich”
Viel zu oft will man – meist automatisch und unbewusst – die eierlegende Wollmilchsau der Kommunikationsmedien. Mit ein bisschen Abstand liegt der Gedanke nahe, dass es das für kaum einen Betrieb geben wird.
(Eine Niederlassung, gleiche Anstellungsverhältnisse, Alter, Bildungsniveau, Mediennutzungsverhalten, … nein, das gibt es selten.)
Eine Falle, in die man ebenfalls leicht tappt, dass man eine neue Kommunikationsschine mit viel Aufwand, Fanfaren und Erwartungshaltung installiert. Vor lauter Arbeit bleibt dann die Analyse auf der Strecke, ob das neue Medium überhaupt geeignet ist.
Vor lauter Euphorie bleibt auf der Strecke, dass die Annahme neuer Kommunikationskanäle ein längerwieriger Prozess ist, der Geduld und kleine Eingriffe braucht, und kein Eröffnungsfest, nachdem alle wie von selbst das tun, was man sich von ihnen erwartet.
Mitarbeiter im Arbeitsumfeld zeichnen sich einmal dadurch aus, dass sie alle durch ihre Arbeit bereits ziemlich gestresst sind. Daher haben sie hohe Hürden für zusätzliche Kommunikation und Aufmerksamkeit.
Mitarbeiter im Arbeitsumfeld zeichnen sich darüber hinaus dadurch aus, dass die Arbeit einen großen Teil ihres Lebens ausmacht und alles rund um die Arbeit daher potentiell interessant und relevant ist. Daher wird sie die Kommunikation über ihre Arbeit und die Information zu ihren Arbeitsbedingungen sehr wohl interessieren.
Es gilt diese Widersprüchlichkeit zu bedenken und ihr gerecht zu werden.
Und zwar spezifisch auf die verschiedenen Arbeitsumfelder, den Stress sowie das unterschiedliche Mediennutzungsverhalten der KollegInnen eingehend
Heterogene Gruppen und Inhalte brauchen entsprechende Kanäle
Kommen wir zurück zu unserer Analyse der Kanäle, Inhalte und Gruppen. Die Analyse sollte irgendwann zu den Eigenschaften vordringen:
was zeichnet z.B. das Intranet aus? was zeichnet die Einladung zur dringlichen Betriebsversammlung aus? was zeichnet die Gruppe der atypischen ProjektmitarbeiterInnen aus?
Diese Erarbeitung der Spezifika der Kanäle, Inhalte, Zielgruppen wird besonders hilfreich, wenn wir die Unterschiede immer mehr herausarbeiten.
Z.B. (eine Auswahl an Spezifika):
- auf der Ebene der Kanäle: Das Intranet besuchen fast alle irgendwann einmal. Wenn gewisse Infos gesucht werden, dann denken die meisten KollegInnen zuerst daran, diese Infos im Intranet zu suchen. Grundlegende Informationsmaterialen sind dort gut aufgehoben.
Allerdings haben manche KollegInnen keinen Zugang zum Intranet (z.B. Reinigungspersonal). Außerdem ist der BR im Intranet nicht autonom, das Unternehmen hat volle Kontrolle. Und das Intranet ist nur vom Arbeitsplatz aus erreichbar (es gibt nennenswerte Gruppen, die BR-Infos nur von zu Hause und nicht während/in der Arbeit lesen wollen).
Zuletzt eignet es sich gar nicht für dringliche Informationen (ins Intranet schaut die MitarbeiterIn im Durchschnitt einmal pro Monat).
Der SMS-Verteiler ist in mancherlei Hinsicht ein krases Gegenteil. Es ist ein Medium der Dringlichkeit, alle werden binnen kürzester Zeit erreicht. Die Aktivierung ist hoch. Der Kanal darf aber nur in besonderen Fällen genutzt werden, sonst wird er nicht als gerechtfertigt empfunden. Er eignet sich nur für flüchtige Kommunikation, nicht für die Archivierung beständiger Informationen. - auf der Ebene der Inhalte: es gibt Inhalte, die potentiell alle gleichermaßen angehen wie z.B. die Betriebsvereinbarung zu Datenschutz. Es gibt Inhalte, Konjunkturen haben, wie z.B. die KV-Ergebnisse. Es gibt Inhalte, die zielgruppenspezifisch sind, wie z.B. Änderungen der arbeitsrechtlichen Bedingungen für freie DienstnehmerInnen. Es gibt Inhalte, die populär aber nicht wichtig sind, wie z.B. die Fotos der Weihnachtsfeier. Es gibt Inhalte, die nicht populär aber essentiell sind, wie z.B. “um 19:00 alle in die Kantine!”. Es gibt Inhalte, die beständig sind und nicht verjähren und immer bereit liegen sollten und es gibt Inhalte, die aktuell sind und in einer Woche irrelevant. Es gibt Inhalte, die nüchternen Informationswert haben und es gibt solche, die mit Stimmungen, Emotionen, Identitäten oder Solidaritätsgefühl zu tun haben. Es gibt Inhalte, die nur in die Richtung vom BR zu den MitarbeiterInnen gehen und es gibt Inhalte, die die MitarbeiterInnen dem BR mitteilen wollen/würden/sollten.
- auf der Ebene der Gruppen: Atypische haben spezielle Probleme und u.a. wissen sie nicht, ob der BR für sie zuständig ist oder nicht bzw. ob sie zur Belegschaft gehören oder nicht. Manche KollegInnen haben in ihrem Leben noch keinen PC angerührt (, kaufen aber den Kindern zu Weihnachten immer wieder mal neue). Andere, vielleicht jüngere KollegInnen würden sich vom BR erwarten, dass der ein Blog mit allen Finessen führen sollte. Vl. gibt es MitarbeiterInnen, die fast nur im Auto sitzen, andere sitzen seit 20 am gleichen Arbeitsplatz und erinnern sich an die gute alte Zeit der BR-Zeitung. Da sind die KollegInnen, die unter permanenter Beobachtung stehen, und da sind jene, die nach der Arbeit gemeinsam ein Bier trinken gehen.
Die Frage ist, was trifft auf den eigenen Betrieb zu und ist wie relevant.
Hat ein BR das für den eigenen Betrieb ausgearbeitet, muss er jetzt “nur” mehr die Bedürfnisse und Eigenschaften der Gruppen und der Inhalte mit den Kanälen abstimmen.
Ja, das ist kein leichtes, schon gar nicht bei einem derart komplexen Betrieb wie der VOEST Alpine.
Ja, das ist nichts was man einfach über Nacht auf ein oder zwei Plakate malt.
Die Strategieentwicklung – am besten in Etappen
Aber das ist ein großer Schritt zu einer überlegten und zielorientierten Öffentlichkeitsarbeit und zu einer Strategie, wie man sich als Belegschaft vernetzt, wie man sich als BRs vernetzt und wie man sich als BRs mit der Belegschaft vernetzt.
Was die KollegInnen vom KonzernBR betrifft, da bin ich sicher, dass die das locker und souverän umsetzen, wenn sie diesen Weg versuchen wollen. Und ganz sicher werden sie aus dieser Analyse zu vielversprechenden Ideen und Ansätzen kommen.
Und ich freue mich natürlich, wenn ich vielleicht helfen kann.
(Halleluja war ich wieder idiotisch. 🙄 Ich bin wirklich der größte Feind meiner eigenen ökonomischen Interessen. Da werde ich wegen eines 3tägigen Seminars angefragt und was mache ich? Den Auftraggeber vor den Kopf stoßen und ihm erklären, dass er das alles besser anders angehen sollte. Bin ich ein hoffnungsloser Fall? 😐 )
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Auch sonst hoffe ich, dass die einen oder anderen LeserInnen dieses Blogs ein paar Anregungen mitgenommen haben.
Über Kommentare freue ich mich bekanntlich, und über Kontakte, Fragen oder Anregungen auch.
wie vermittelt man den KollegInnen was man als BR eigentlich so alles macht? auch bei uns in der Softwarebranch ein wichtiges Thema. Wir haben zwar sämtliche modernen “technischen” Möglichkeiten, aber die alleine sind es nicht. Es muss auch das Bewusstsein vorhanden sein, dass (heutzutage) BR-PR Arbeit notwendig ist.
hi Werner,
tja, das ist ambivalent (bzw. meine Antwort ist es). Einerseits ist das Deppeneinfach. Das geht mit relativ wenig Aufwand (an Zeitressourcen, Knowhow und Technik).
Andererseits ist das nicht so einfach. Wir sind da teilweise viel zu eingespannt in unsere Arbeitsumfelder, um uns diese Frage konstruktiv und in aller Ruhe zu stellen.
In dem Moment, wo wir das tun – freilich am besten im Dialog mit anderen, allein ist etwas anstrengend – kommen die Ideen und sinnvollen Ansätze doch halbwegs rasch.
Daher ist das Strategiekonzept, nämlich das praktische und nicht das theoretisch-abstrakte, so wichtig!
Dann kann es z.B. ein kooperativ geführtes Blog mit 2, 3 KollegInnen sein.
Und im Blog fragt man sich nicht, was sollen wir schreiben, sondern zwingt sich lediglich in aller Kürze zu berichten, was an BR-Tätigkeit anfällt:
“Morgen Sitzung, Tagesordnungspunkte dies das und das“,
“Letzte Woche auf Vortrag zu Änderungen Arbeitszeitgesetz gewesen und gestern die Novellierung genauer studiert. Wer Fragen hat, bitte melden ..”
“KollegIn zu einem Gespräch begleitet. Mmh, wie soll ich sagen, die Atmosphäre war etwas heikel. Aber wir werden das schon zu einem guten Ausgang für alle Beteiligten bringen …”
… das sind mögliche Einträge, die von der Art her das Universum der BR-Arbeit zu transportieren im Stande sind, kommen aber noch kaum irgendwo vor.
und dann gibt es freilich noch ganz andere Wege 🙂
Lieber Werner, wenn Du interessiert bist, dann melde Dich!
Bei mir oder – wenn in Eurem Fall sinnvoll – beim GPA-djp Bildungssekretär: und der schickt dann mich, wenn Ihr wollt 😉
hab’ ich damit weiterhelfen können?
lg
hc voigt
sg. Betriebsrat! ich möchte sie stellvertetend,für Alle meine Busfahrerkollegen/innen,die Ihre Mittarbeiter,tagtäglich in Ihren Betrieb bringen, (Schichtbusse) fragen,ob es nicht einen Raum geben würde ,wo wir unsere Pause verbringen könnten??? wir stehen zur Zeit ,auf dem Durchgang zwischen den Duschräumen und diskutieren nicht selten darüber,warum für uns kein anderer Raum zur verfügung stehen kann???? sind wir so wenig Wert,in einem so grossen Betrieb???
da ich schon einmal im Kww2 persönlich gefragt habe bei einem Betriebsrat im KWW 2…..und dafür nur milde belächelt wurde, würde ich mich über Ihren Kommentar,zu meiner Frage,wirklich freuen!!
mit freundlichem Gruss Edith R. Fa. Dobler-Reisen Eferding
Liebe Edith,
du postet hier unter einem vier Jahre alten Bericht über einen Termin beim ZBR der VOEST und nicht in einem Blog des ZBR.
Das eBetriebsrat-Blog ist keine Stelle, die irgendetwas mit einem BR der VOEST zu tun hat.
Danke ,an welche Stelle ,bzw. an welche Adresse sollte ich mein Anliegen sonst senden???? kannst Du mir dabei helfen,dass es an die richtige Adresse gelangt?????? aber warscheinlich ist das eh sinnlos,weil die uns ja gar nicht ernst nehmen……mfg.